Ein Eishockey-Club kämpft um Punkte - und Vertrauen
Die Chemnitz Crashers haben im sechsten Spiel den sechsten Sieg eingefahren. Außerhalb der Eisfläche hat man an den Insolvenz-Nachwehen des Vorgängervereins zu knabbern.
Rums. Schon wieder hatte es ein- geschlagen. Wie bereits in den Partien zuvor, fielen die Tore beim Spiel der Crashers am Samstagabend gegen die Blues Berlin wie reife Früchte. Das Chemnitzer Eishockey-Team setzte sich in der Halle am Küchwald gegen die Haupt- städter mit 7:5 durch. Es war der sechste Sieg im sechsten Spiel der Regionalliga. Die Freude darüber konnte man besonders Ulf Uhlmann ansehen. Der 41-Jährige ist Vorsitzender des im vergangenen Mai gegründeten Eishockey-Clubs (EHC) Chemnitz, unter dessen Dach die Crashers spielen.
Es war ein Neuanfang, nachdem der Vorgänger-Verein mit seiner Mannschaft der Wild Boys finanziell alle Viere von sich gestreckt hatte. An den Nachwehen der Insolvenz habe man nach wie vor zu knabbern, ließ Uhlmann am Samstagabend durchblicken. "Ein paar Widerstände, mit denen wir nicht gerechnet haben, sind noch zu beseitigen", erklärte der Vereins-Chef. Man werde nach außen hin eher als Sportart wahrgenommen, in der es bis vor kurzem große Probleme gab - und nicht als neuer Verein. Viel Vertrauen sei verloren gegangen, unter anderem beim Betreiber des Eisstadions und bei Wirtschaftsunternehmen. "Dieses Vertrauen müssen wir wieder aufbauen, was sicher einige Zeit in Anspruch nehmen wird", erklärte Uhlmann.
Er habe aber auch positive Überraschungen erlebt. "Wir sind personell gut aufgestellt. Viele Helfer mit Herzblut haben die Treue gehalten, wofür ich sehr dankbar bin", betonte der Vorsitzende, der sich seit 1993 in verschiedenen Funktionen für den städtischen Eishockeysport engagiert. Auch der Zuschauerzuspruch liege über den Erwartungen. "Wir hatten schon bis zu 300 Besucher in der Halle", so Uhlmann. Zur finanziellen Situation des EHC wollte er keine konkreten Aussagen treffen. "Die Saison ist abgesichert. Über die Höhe des Etats wollen wir erst am Ende des Spieljahres sprechen", sagte der Vereins-Chef.
Eines war den Verantwortlichen nach der Wild-Boys-Insolvenz erspart geblieben: Es musste kein komplett neues Team aufgebaut werden, da genügend Eigengewächse zur Verfügung standen. "Die sehr gute Jugendarbeit der vergangenen zehn Jahre in Chemnitz greift inzwischen", so Uhlmann. Dies habe einen weiteren Vorteil: "Unsere Mannschaft ist preiswerter geworden. Wir müssen weniger Geld an den Verband für auswärtige Spieler zahlen."
Einer der Aktiven aus der Abteilung "Jugend forscht" bei den Crashers ist Erek Virch. Das aus Berlin stammende Talent geht seit 2010 in Chemnitz auf Puckjagd und hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Im Sommer wollte Virch weg. "Ich habe einen Vertrag in Regensburg unterschrieben - mit der Perspektive, in der deutschen Nachwuchsliga zu spielen und mit dem dortigen Drittliga-Männerteam zu trainieren", berichtete der Verteidiger. Doch dann wurde ihm klar, dass er voreilig gehandelt hatte. "Als junger Mensch macht man Fehler", sagte Virch. Nach einem nochmaligen Gespräch mit Trainer Torsten Buschmann revidierte er seine Entscheidung und blieb in Chemnitz, wo er eine Lehre zum Mechatroniker für Kälte- und Klimatechnik fortsetzt. Der Regensburger Club habe zunächst abgelehnt, den Vertrag wieder aufzulösen, dann aber doch eingewilligt.
So spielt Erek Virch weiter in einem Umfeld, das er als nahezu perfekt einschätzt. "Das Training unter Torsten Buschmann ist sehr gut, wir spielen in einer genialen Halle und haben tolle Fans", geriet der 17-Jährige am Samstag ins Schwärmen. Zudem sei die Kommunikation in der Mannschaft top. Unter diesen Voraussetzungen könne es für die Crashers nur ein Ziel geben: Platz eins in der Regionalliga. Virch machte allerdings keinen Hehl daraus, dass der Küchwald-Verein für ihn ein Sprungbrett in die große Eis- hockey-Welt sein soll. "Ich will später mein Geld mit diesem Sport verdienen", betonte er. Ein Traum wäre zum Beispiel, eines Tages in der höchsten deutschen Liga im Trikot der Berliner Eisbären aufzulaufen. "Dort hatte ich schon als Dreijähriger mit dem Eishockey begonnen", erzählte Virch nach dem Viertliga-Spiel am Samstag.
Die Partie gegen die Blues Berlin wurde mit einer ungewöhnlichen Spielfeldumrandung ausgetragen. Beim Umbau der Halle für das Eismärchen in der vorigen Woche waren etwa 20 Glasscheiben zu Bruch gegangen, die durch Sperrholz-Platten ersetzt wurden. Bei der Montage legten die Crashers selbst mit Hand an - unterstützt von Fans, die ihr Team nach dem sechsten Sieg ausgelassen feierten.
Mario Schmidt, Freie Presse
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